1901 drängte die Bielefelder Nähmaschinen- und Zweiradfabrik Hengstenberg und Co. unter dem Namen Anker auf den Markt. Das Modell 1 („schmales Handtuch“) arbeitete noch nach einem ähnlichen Prinzip wie später Addiatoren und bspw. simple Summira-Rechenmaschinen: Das Umsatzzählwerk wurde durch Bewegen der Einstellhebel weitergestellt, beim Drücken der zentralen Taste ging zusätzlich zur Rückstellung der Hebel die Schublade auf. Schon bald wurde dieser Mechanismus um die charakteristische Drehkurbel, mehr Einstellmöglichkeiten sowie Druckwerke aller Art ergänzt. Bis 1913 wurden ausschließlich die technisch recht simplen, aber sehr zuverlässigen und im Falle von Anker auch hochqualitativen Hebelkassen gebaut.
Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges erfolgte die Marktreife einer voluminösen Tastenkasse im Jugendstilgehäuse, die heute aufgrund der kurzen Produktionszeit selten und gesucht ist. Anker sollte für 75 Jahre in Bielefeld (elektro-)mechanische Registrierkassen produzieren und schon bald zu deren zweitgrößtem Hersteller weltweit aufsteigen. An Anker-Jugendstilkassen habe ich bisher zwar weniger gearbeitet als an solchen von NCR, aufgrund der einfachen und dankbaren Technik kann ich mich aber auch ihrer annehmen. In letzter Zeit habe ich mehr solcher Maschinen auf der Werkbank, senden Sie mir gern eine Anfrage zur Instandsetzung Ihrer Anker.
Das „schmale Handtuch“ von Anker und direkte Nachfolger

Die Ursprungsform des Anker-Modells 1 besaß drei Hebelreihen zum Einstellen des Preises, darunter eine kleine Anzeige für den Bediener und auf der Rückseite eine solche für den Kunden. Die eingegebenen Beträge wurden höchstwahrscheinlich – wie bei einem Addiator oder einer Summira – schon beim Herunterziehen der Hebel in das im Kopf der Maschine untergebrachte Zählwerk übertragen. Bei Betätigung des prominenten, großen Knopfes unterhalb der Reihen ertönte eine Klingel, und die bis dato nach oben hin arretierten Hebel schnellten in ihre Grundposition für einen neuen Kassiervorgang. Das aktuell einzig bekannte Exemplar dieser allerersten Anker-Serie, zu sehen im Historischen Museum Bielefeld, ist mit der Holzschublade darunter bereits ein Modell 2. Beide dreireihigen Bauformen besitzen keine Bohrungen für ein Kopfschild.
1903 kam die erste Weiterentwicklung auf den Markt: Das „neue“ Modell 1 (siehe Foto) bezeichnete nun eine auf vier Hebelreihen verbreiterte Kasse auf einer gusseisernen, im Stile der eingegossenen Gehäuseornamentik kunstvoll bemalten Gusseisenbasis (Bemalung wurde hier entfernt). Erstmals sind Bohrungen für ein Kopfschild vorhanden. Eine solche Kasse mit eingegossenem italienischem statt deutschem Text in der Rückwand ist im Heinz-Nixdorf-Forum Paderborn zu bestaunen. Neu hinzu kamen zeitgleich das „neue“ Modell 2 mit Bon-Druckwerk auf der linken Maschinenseite, das Modell 3 mit Journal-Druckwerk auf der rechten Seite sowie das Modell 4 mit beiden Druckwerken und symmetrischer Optik. Alle druckenden Varianten besaßen eine (lediglich angeklickte) Kurbel auf der rechten Seite, die jedoch ausschließlich das Druckwerk antrieb – der Registriervorgang selbst erfolgte bei diesen Kassen wie bei der 1 noch ausschließlich über Hebel und Rückstelltaste. Von diesen frühesten druckenden Ankerkassen ist lediglich ein Modell 4 bekannt, auch dieses steht in Ostwestfalen.
Die Anker 10 und verwandte Modelle

1905 stellte Anker mit dem Modell 10 einen Meilenstein vor. In Puncto Gehäuseornamentik, mit den ringförmigen Hebelköpfen sowie dem prominenten Rückstellknopf unter den Hebeln ist sie offensichtlich noch nah mit den ersten Anker-Kassen verwandt. Das ungleich verbreiterte Gehäuse (bei nach wie vor vier Einstellhebeln), der neue Aufbau (vordere Anzeige nun im Maschinenkopf, Zählwerk dafür unterhalb der Einstellhebel), das nun innerhalb eines „Bauches“ kombinierte Bon- und Journaldruckwerk sowie die neue Funktionsweise (gesamter Registriervorgang erfolgt durch Kurbeldrehung, runde Taste nur noch zur Hebelrückstellung) nahm aber große Teile Konstruktion vorweg, die alle Anker-Hebelkassen bis zum Anfang der 1950er-Jahre prägte.
Es existieren Abwandlungen der Anker 10, so das Modell 8 mit deutlich niedrigerem Druckerbauch, der hier lediglich ein Kontrollstreifendruckwerk enthält (Holzabdeckung vom Foto nicht original).
Weitere Anker-Hebelkassen bis zum 1. Weltkrieg

Die Maschinen, die nach der Anker 10 vorgestellt wurden, haben keinen zentralen Rückstellknopf unter den Hebeln mehr, wie bei NCR-Maschinen übernimmt nun ein neben den Betragshebeln angeordneter weiterer Hebel diese Funktion – im Gegensatz zu NCR-Maschinen ist dieser bei Anker jedoch stets rechts angebracht statt links. Während die ersten Nachfolgemodelle in der Ornamentik noch viel mit der Anker-10-Serie gemeinsam haben und teilweise sogar als 10 bezeichnet sind, bildeten sich in den Folgejahren weitere Designlinien aus.
Um 1910 wurden Mehrzähler-Hebelkassen vorgestellt, die beispielsweise in Restaurants die Umsätze verschiedener Kellner (bis zu 9) einzeln buchen konnten. Diese in einer Art Anbau auf der rechten Maschinenseite untergebrachten einzelnen Umsatzzählwerke waren von hinten mittels einer Gehäusetür ables- und nullstellbar. Von diesen Mehrzähler-Hebelkassen steht ein Exemplar bei der neuen Firma Anker in Bielefeld (aus altem Werksbestand), ein zweites in einer Privatsammlung in Bayern. Beide Maschinen sind für den Schweizer Markt konfiguriert.
In den frühen 1910er-Jahren wurde das sogenannte Blumendesign eingeführt und für Maschinen verschiedenster Bauart verwendet. Deutlich weniger verbreitet, weil nur eine kurze Zeit vor Ausbruch des ersten Weltkrieges gebaut, ist das sogenannte Girlandendesign mit einem eigenen Kopfschild. Dieses Design gab es nur für die schmale „Standardbaureihe“ 210, auf anderen Modellen ist es noch nicht aufgetaucht.
Die Anker-Hebelkassen kann ich gut reparieren, senden Sie mir zu diesem Zweck gern eine Anfrage.
Anker-Tastenkassen

1913 schließlich waren die ersten Tastenkassen aus Bielefeld marktreif. Ihr Gehäusedesign mit Blumenornamenten entspricht dem zu jener Zeit gängigsten Ornament auf den ungleich häufigeren Hebelkassen. Die passenden, oben halbrunden Kopfschilder stimmen mit denen der späten Mehrzähler-Hebelkassen überein und die Tastenkassen sind ähnlich voluminös wie diese. Die Nomenklatur war an jene von NCR angelehnt, so hießen die Tastenkassen Serie 400, später 800.
Technisch hatten diese Kassen jedoch mit ihren Konkurrenten von NCR nicht viel gemeinsam. Vielmehr ähnelte der Grundaufbau dem der Anker-Hebelkassen mit Zählwerken vorn unterhalb der Tastatur. Wie bei National variierte die Breite der gesamten Maschine mit der Anzahl der Betragsbänke (4-6). Im Gegensatz zu NCR-Kassen der Klasse 400 besaßen Anker-Tastenkassen, in ihrer Konstruktion schließlich 20 Jahre jünger, von Anfang an keine festen, sondern herausnehmbare Tastenbänke. Diese waren in den hier behandelten, frühen Exemplaren aus einem Zinkdruckguss gefertigt, der sich leider als nicht haltbar erwies. Von den nur drei mir heute bekannten Exemplaren der Anker 400-/800-Serie mit verziertem Gussgehäuse (sämtlich vierreihig mit Tasten für Zahlungsarten) haben die beiden in Deutschland (Historisches Museum Bielefeld und private Sammlung in Detmold) befindlichen Maschinen unisono verformte und gebrochene Tastenbänke, was die Funktionalität beeinträchtigt. Der technische Zustand des dritten belegt erhaltenen Exemplares in Norwegen ist mir nicht bekannt. Die sehr geringe Zahl tatsächlich gebauter Anker-Tastenkassen mit verziertem Gehäuse ist dem baldigen Ausbruch des ersten Weltkrieges geschuldet.
Etwa zeitgleich mit den Einzähler-Tastenkassen der Serie 400 wurde – analog zur Nomenklatur bei NCR – auch eine Mehrzählerkasse mit Namen 500 vorgestellt. Diese gleicht in ihrem Formfaktor und im Blumendesign der (seltenen) Mehrzähler-Hebelkasse und unterscheidet sich von dieser nur durch die Bedienung per Tasten. Anker-Kassen der Serie 500 sind mir nur aus alter Originalwerbung bekannt, ein erhaltenes Stück ist keinem meiner Sammlerfreunde bisher begegnet.